Liquid Feedback – Wege aus der Krise

Eigentlich sollte ich die Zeit für produktive Dinge nutzen, oder mich einfach entspannen. Stattdessen sitze ich hier mal wieder und schreibe meine Gedanken herunter. Es geht – wie so häufig die letzten Wochen – um Liquid Feedback.

Die letzten Tage sind mehrere Piraten wegen Liquid Feedback ausgetreten, nach Aussagen auf den entsprechenden Listen sind es teils sehr schmerzhafte Verluste, d.h. wir verlieren richtig an Substanz. Dass es so nicht weitergehen kann, sollte den meisten klar sein.

Was muss nun also geschehen, damit wir das Steuer noch rumreissen können? Es ist sicherlich wenig sinnvoll, die jeweils andere Seite mit langen Blogpostings von seiner Sache überzeugen zu wollen und von der eigenen Position nicht einen Millimeter abzuweichen. Ich zitiere hierzu http://www.politik24.blogspot.com/2010/08/liquid-feedback-der-schmale-grat.html

Der Streit kann nur geschlichtet werden, indem man einen Kompromiss findet, mit dem beide Seiten leben können oder dadurch, dass es ein Flügel schafft, den anderen zu überzeugen.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich diesen Text für die zweite Alternative schreibe, da ich noch nicht dazu bereit bin, einen Kompromiss einzugehen (…)

Ich hoffe, dass die Erkenntnis doch noch kommen wird, dass ein Kompromiss die einzige Lösung ist, die nicht mit noch mehr unnötigen Verlusten behaftet ist.

Zuerst aber meine Position zu einigen Dingen, die die letzten Tage genannt wurden. So kam beispielsweise die Äußerung, dass der Widerstand gegen LF in dieser Form hauptsächlich aus dem Lager der Vorstände käme, die um ihre Macht fürchten würden. Andere warfen den Datenschutz-Piraten vor, dass sie zu feige seien, für ihre Meinung einzustehen und die Konsequenzen des schnöden Mammons wegen nicht ertragen wollten.

Wie schön, dass sich diese beiden Argumente gegenseitig ausschließen. Gerade die heutigen Funktionsträger treten auch in der Öffentlichkeit als Piraten auf, sind namentlich bekannt und wurden auch häufig schon interviewt – man kann also davon ausgehen, dass sie keine Probleme damit haben, ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu sagen. Das andere Argument der Angst vor dem Machtverlust kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen – das Gegenteil ist der Fall. Es sind rosige Zeiten für den Vorstand, wenn er nicht mehr anhand der eigenen Einschätzung oder einer eher diffusen Diskussion auf einer Mailingliste zum Beispiel über die offizielle Unterstützung einer Demonstration entscheiden muss, sondern halbwegs belastbare Meinungsbilder als Basis der Entscheidung hat. Und jeder Vorständler dürfte glücklich sein, wenn die Basis die Initiative ergreift und den Vorstand durch geeignete Initiativen auf einen Handlungsbedarf hinweist.

Als 2007/2008 die Aktiven eines Landesverbands um einen Tisch in einer Kneipe passten, konnte die Basis sehr schnell Gehör finden und Ideen waren schnell ausgearbeitet. Dies ist mittlerweile nicht mehr so einfach und deswegen kann uns Liquid Feedback dort wirklich helfen – der ganzen Partei.

Wie oben schon geschrieben, gibt es eine Gruppe von Leuten, denen es nichts ausmacht, mit ihrer Meinung vorne zu stehen. Aber man darf eben nicht davon ausgehen, dass dies für alle gilt. Es gibt die Leute, die nicht den Mut dazu haben, ihre Meinung offen zu sagen. Dies kann verschiedene Gründe haben. Das eine kann die Angst vor den Konsequenzen sein, sowohl finanzieller Natur, als auch gesellschaftlicher Natur. Gruppenzwang ist eine tückische Sache und ihm zu widerstehen, verlangt viel Kraft. Kraft, die längst nicht jeder hat.

Jetzt heißt es so schön, dass man in LF ja mit einem Pseudonym arbeiten könne. Dies stimmt auch soweit. Man kann per Pseudonym Initiativen unterstützen und auch am Ende abstimmen. Aber was Probleme bereiten wird, ist alles, was darüber hinausgeht.

Sobald man eigene Initiativen erstellt, bewegt man sich als Nutzer eines Pseudonyms wie auf einem Minenfeld. Letztendlich muss man sogar darauf achten, anders zu schreiben, als man dies normalerweise macht – ansonsten ist man zu leicht erkennbar. Auch durch entsprechend vorgebrachtes Fachwissen kann man auffliegen.

Wie sieht nun also die Lösung aus? Zuerst etwas zum Aufbau eines guten Kompromisses. Ein guter Kompromiss stellt beide Seiten zufrieden und verlangt beiden möglichst wenig ab. Dies ist meiner Ansicht nach bei diesem Lösungsvorschlägen gegeben:

Schaffung eines getrennten Useraccounts ohne Stimmrecht, aber mit dem Recht, Initiativen zu erstellen. Dies würde es ermöglichen, sich gezielt für eigene Initiativen namentlich stark zu machen, gleichzeitig aber ohne Gruppenzwang agieren zu können. Es laufen in LF übrigens derzeit entsprechende Initiativen.

Dieser Kompromiss würde es ermöglichen, dass die eine Seite weiterhin mit einem einzigen Account tätig ist und die andere Seite ihre Arbeit auf mehrere Accounts verteilt. Bei dieser Lösung zwingt keine Seite der anderen etwas auf, jeder kann selber bestimmen, welchen Weg er gehen möchte – und deswegen ist es ein guter Kompromiss.