Der #Fahrradalltag ist leider ein Kampf der verschiedenen Verkehrsteilnehmer

Unter dem Hashtag #fahrradalltag haben Radfahrer in den letzten Tagen auf Twitter mitgeteilt, was sie tagtäglich auf dem Rad erleben. Viele der Erlebnisse kann ich selber nachvollziehen, bzw. habe sie auch schon selber erlebt.

Der Frust hat aus meiner Sicht insbesondere zwei Ursachen. Das eine ist, dass Radfahrern insbesondere in der Vergangenheit kein großer Stellenwert bei der Planung der Verkehrswege eingeräumt wurde. Und auch noch heute passiert dies viel zu häufig. Die (rechtlich irrelevanten) “Radfahrer bitte absteigen”-Schilder an Baustellen sind da nur ein Indiz. Auch wenn man sich die Radverkehrsführung des neu gebauten Kreisverkehrs in Norderstedt ansieht, merkt man, dass noch immer der Radverkehr bei Planungen das ungeliebte Kind ist.

Die andere Ursache für den Frust sind sicherlich die Verteilungskämpfe zwischen den Verkehrsteilnehmern. Fragt man einen Fußgänger, so fühlt er sich von Radfahrern belästigt und teilweise sogar gefährdet und möchte sie nicht in “seinem” Bereich. Fragt man einen Autofahrer, so fühlt er sich von Radfahrern ausgebremst und behindert. Teilweise reagieren Autofahrer dann absichtlich aggressiv, um den Radfahrern zu zeigen, dass sie auf der Straße unerwünscht seien. Der folgende Thread ist da ein trauriges Beispiel:

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Auch wenn das mit dem CS-Gas sicherlich (hoffentlich) überspitzt war, so ist es aber dennoch gut vorstellbar, dass diese Person tatsächlich absichtlich knapp an Radfahrern vorbeifährt. Leider passieren dadurch immer wieder schwere Unfälle und es kommen Menschen ums Leben. (Und ich kann mir gut vorstellen, dass einige dieser Todesfahrer nicht einmal dann wirklich Schuldgefühle haben).

Leider haben diese Verteilungskämpfe auch Auswirkungen auf das Verhalten der Radfahrer. So weichen viele Radfahrer auf Fußwege aus, wenn es keine Radwege gibt und der Radverkehr eigentlich im Mischverkehr zusammen mit den Autos geführt werden soll. Das wiederum sorgt für (berechtigten) Frust bei Fußgängern. Leider sehen sich auch einige Radfahrer im Recht, Selbstjustiz durchzuführen, indem sie z.B. Spiegel von Autos abtreten. Außerdem sehen sich viele als “Outlaws”, die sich über die Verkehrsregeln (wie das Rotlicht der Ampeln, Vorfahrtsregelungen, Radfahrverbot in Fußgängerzonen, …) hinwegsetzen können, da sie ja sowieso die Benachteiligten seien. Das wiederum steigert natürlich den Frust bei den anderen Verkehrsteilnehmern und führt dazu, dass sie sich in ihrem Handeln bestätigt fühlen und dass sie weniger Verständnis für die Sorgen und Nöte der Radfahrer zeigen.

Häufig ist aber wohl auch das unreflektierte Handeln Schuld. Gerade gestern hatte ich zwei Fälle, wo Fußgänger ohne zu schauen auf den Radweg wechseln wollten, bzw. darauf unterwegs waren. Das besondere war, dass in dem ersten Fall gerade eine große Kolonne von Rädern an der Person vorbeifuhr, er also bemerkt haben muss, dass das ein Radweg ist, auf den er gerade treten wollte. Er hatte dennoch nicht einmal geschaut, ob jetzt frei sei. In dem zweiten Fall reagierte eine Frau total überrascht, als ihr ein Radfahrer klingelt entgegenkam, weil sie auf dem Radweg ging – und sie reagierte genauso überrascht, als nach diesem Radfahrer ein zweiter Radfahrer kam, der sie auch durch Klingeln darauf hinwies, dass sie gerade wieder auf dem Radweg ging. Ob sie danach weiter auf dem Radweg ging, nachdem ich sie passiert habe, habe ich nicht kontrolliert, ich kann es mir aber gut vorstellen.

Das gleiche unreflektierte Handeln vermute ich auch bei Autofahrern, die beim Abbiegen nicht einmal daran denken, einen Schulterblick zu machen, obwohl da ein Radweg. Ich unterstelle da nicht einmal Vorsatz, sondern einfach Gedankenlosigkeit (die dann leider sehr schnell zum Tod eines Verkehrsteilnehmers führen kann).

Leider sind auch viele Radfahrer anscheinend nicht in der Lage, die Folgen ihres Handelns abzuschätzen. Ich habe mehr als einmal beobachtet, wie Radfahrer ohne sorgfältig zu schauen bei Rot über Ampeln gefahren sind und teilweise extrem knapp einer Kollision entgangen sind. Und wenn einem auf seiner Seite ein Radfahrer Nachts ohne Licht entgegenkommt, der dich übersehen hat, weil er die ganze Zeit auf seinem Smartphone rumtippert und er Dein Rufen nicht gehört hat, weil er Kopfhörer trägt, dann fällt mir auch nichts mehr ein, wie ich ein solches Verhalten sinnvoll begründen könnte.

Es gibt immer wieder Lichtblicke. So ist mir aufgefallen, dass immer mehr Radfahrer auf vielbefahrenen Radwegen Handzeichen und sich umschauen geben, wenn sie abbiegen. Das ist ein Anfang. Und es gibt zum Glück die Autofahrer, die auf Radfahrer achten und es gibt auch immer wieder Autofahrer, die Radfahrern sogar Vorrang gewähren.

Ich kann nur hoffen, dass diese Lichtblicke mit der Zeit zunehmen.